Der erste Teil der Artikelserie über die Wangerooger Seezeichen befaßt sich mit der Zeit bis 1600, einer Zeit, in der noch nicht einmal der Alte Westturm, wie er später genannt wurde, bestand. Leider sind nicht allzu viele Informationen überliefert, doch einiges konnte ich doch für Sie zusammentragen.
Vertoonung der Insel Wangerooge. Die Inselkirche mit dem charakteristischen stumpfen Kirchturm ist inmitten der Dünen gut erkennbar. Aus einem dänischen Segelhandbuch von 1568.(1)
Wir blicken zurück ins späte Mittelalter, genau gesagt ins 14. Jahrhundert. Auf »Olde Oge« oder nahe den »Olde Warf« genannten Dünen muß die zuerst 1327 erwähnte »villa« Wangerooge gelegen haben, deren Bewohner der Graf von Holland in diesem Jahre »oppidani« nannte. Im Dorf stand die dem Jungfrauenkloster Hopels auf dem Festland (Reepsholter Bezirk Östringen) inkorporierte St. Nikolaikirche mit einem als Landmarke dienenden Turm.
In den Fehden Ede Wimekens mit den Holländern überfielen deren Freibeuter im Jahre 1386(2) die Insel, zerstörten die Kirche und raubten die Kelche, Monstranzen, Glocken und sonstige Kleinodien. Ob mit der zweifellos wieder hergestellten Kirche auch der Turm wieder in Stand gesetzt wurde, oder als Ruine stehen blieb (wie der Turm zu Reepsholt) ist unbekannt; 1586 wußten die Ältesten der Insel ohne Angaben von Daten dem jeverschen Rentmeister Klaus Klinge nur zu erzählen, er sei »vor Zeiten in etlichen Fehden von einem und andern eingenommen gewesen, die Balken und Boden daraus verbrannt, auch von Jahren zu Jahren zum Teil von überaus hohen Wasserfluten abgewaschen und sonst verfallen«.
Weitere Nachweise für die Landmarke sind das älteste niederdeutsche »Seebuch« (14./15. Jh.), welches »dat stenhus up Wangero« und »dat werk up Wernegerode« beschreibt, eine zweite Handschrift schreibt »dat steinhus unde den torne«. Auf der Mscr. Karte des Jeverlandes von Laurentius Michaelis (ca. 1572) ist der Turm auf dem westlichen Ende der Insel angedeutet, ebenso auf den Seekarten von G. Willemsen (vor 1588) und von L. J. Waghenaer (1589).
Als zweite Landmarke stand neben dem St. Nikolai-Turm auf der Insel eine Bake, die allerdings schon 1534 nicht mehr vorhanden war, so daß Älterleute des Bremer Kaufmanns die Absicht faßten, »eine solche ifte murwerk« zu errichten, vielfache Bitten wurden allerdings verweigert. Am 12. April 1608 bat der Bremer Rat den Grafen Anton Günther, »gegen den (inzwischen erbauten) neuen Turm über« eine Bake verfertigen zu lassen, deren Kosten sich der Rat bereit erklärte; am 22. April wiederholte er diese Bitte mit dem Hinzufügen, daß eine Bake »am füglichsten ins Norden oder Nordwesten gegen dem Turm über« zu setzen sei; am 30. März 1611 baten die Älterleute abermals um Errichtung einer »Kape«; wir werden sehen, daß dies erst 1624 Erfolg hatte.
Aber zurück ins 16. Jahrhundert: Am 27. Februar 1585 wandte sich der Rat von Bremen an Marias Nachfolger, Graf Johann, mit der Vorstellung, »der Turm zu Wangeroch«, der »von undenklichen jahren her unterandern ein sonderbar Kennzeichen an der sehe, darauf die seekarte gestellet und angerichtet, die schiffleute auch darnach ihren curs aus der sehe auf die Wisser und sonsten zu dirigieren und anzustellen gehabt«, sei »vast zerbrochen und baufällig« und bat um Abhilfe. In der Tat stand von ihm 1586 nur noch ein Stück von ca. 50 Fuß Höhe (umgerechnet ca. 15 Meter). Es geschah nichts.
Einer im Februar 1594 in Oldenburg erscheinenden Deputation der Älterleute, die vorstellte, daß die »Sehemark oder Turm auf Wangeroge wegen Länge der Zeit oder auch wegen Abholung der Steine des Orts oder auch Untergrabung« umzustürzen drohe, und um Wiederherstellung bat, wurde geantwortet, der Graf sei anfänglich dem nicht abgeneigt gewesen, »da er aber sowohl auf der freien Weser wie auf dem ihm gehörigen Jadestrom vielfach von den Bremern beschwert und turbuliert worden, habe er ihnen als seinen Widerwertigen nicht willfahren können«, doch werde er die Sache im Frühjahr in abermalige Erwägung ziehen, worauf der Bremer Detmar Kenkel entgegnete, man wolle doch nicht »für den Zwist zwischen Grafen und Rat den armen Kauf- und Schiffmann büßen lassen«.
Letzteres Argument muß schließlich den Ausschlag zum Bau des neuen Turms gegeben haben. 1595 erfolgte wirklich der Einsturz des Turms.
Lasius schreibt im Jahre 1821: »Überhaupt ist die Insel schon großen Veränderungen unterworfen gewesen. In der Nähe des Dorfes finden sich noch Spuren eines großen Thurms, welcher vor mehreren Jahrhunderten ein Raub der Wellen geworden ist.«(3)
Nach vielen Bitten wurde schließlich im Jahre 1597 der Bitte nach einem neuen Turm entsprochen, dem späteren Kirch- bzw. Westturm. Hiermit schließt dieser Artikel über die Seezeichen, die vor dem Bau des neuen Turms bestanden.
Informationen im Text: Georg Sello, »Östringen und Rüstringen, Studien zur Geschichte von Land und Volk«, Ad. Littmann, Oldenburg i. O. 1928, Nieders. Landesbibliothek Hannover.
1) »Søkartet«, Kopenhagen 1568, Kgl. Bibliothek Kopenhagen.
2) »Wangerooger Inselkarte«, Ernst Völker Kartographie und Verlag, Oldenburg i. O. 1986.
3) Lasius, »Beschreibung der zum Herzogthum Oldenburg gehörigen Insel Wangerooge und ihrer Seebade-Anstalt«, Schulze'sche Buchdruckerey, Oldenburg i. O. 1821.